Umbau des Ruhrgebiets zum „Deutschen Hydrogen Valley“ – Herausforderungen und Chancen für den Kreis Wesel

Dr. Babette Nieder, Wasserstoffkoordinatorin der WiN Emscher-Lippe GmbH, referierte im Rahmen der SPD-Fraktionssitzung zum Zukunftsthema Wasserstoff

Bild: SPD-Kreistagsfraktion Wesel

Wasserstoff

„Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“

– Jules Verne, französischer Schriftsteller

 

Dies prophezeite der französische Schriftsteller Jules Verne schon im Jahr 1875 und beschrieb damit bereits Ende des 19. Jahrhunderts das Prinzip der Brennstoffzelle. Auch wenn sie heute wieder als Zukunftstechnologie gilt, so stammt sie dennoch aus den Anfangstagen der Elektrizitätsforschung. Bereits 1838, als der Chemiker Christian Friedrich Schönbein bei einem Experiment mithilfe von Schwefelsäure, Wasserstoff und Sauerstoff Spannung zwischen zwei Platindrähten erzeugte, versprach sich die Wissenschaft viel von dieser „Kalten Verbrennung“, wie sich die elektrochemische Reaktion nennt, bei der Wasser, Strom und Wärme entsteht.

Wundermolekül Wasserstoff

Dr. Babette Nieder (2. v. l.), Wasserstoffkoordinatorin der WiN Emscher-Lippe GmbH, referiert zum Thema Wasserstoff. Bild: SPD-Kreistagsfraktion Wesel

Wusstest ihr, dass Wasserstoff das am weitesten verbreitete chemische Element im All ist und noch dazu ungiftig, geruchlos und durchsichtig? Oder dass Wasserstoff nicht nur das erste Atom war, dass sich gebildet hat, sondern auch das leichteste ist und dass dieses „Leichtgewicht“ mit einer Energieausbeute von 33,33 kWh/kg die mit Abstand höchste massenbezogene Energiedichte aller heute verwendeten Energieträger hat? Diese Eigenschaften, gekoppelt mit einer sehr hohen Reaktionsfreude sorgen leider auch dafür, dass uns Wasserstoff in der Natur nicht als Primärenergiequelle zur Verfügung steht, sondern meistens in Verbindungen feststeckt. Die bekannteste ist H2O – Wasser.

Das und noch vieles mehr haben wir heute in unserer Fraktionssitzung von Dr. Babette Nieder, Wasserstoffkoordinatorin der WiN Emscher-Lippe GmbH, in einem spannenden und informativen Vortrag erfahren.

Industriestandorte erhalten, gutes Klima schaffen

Neben den elektrochemischen Grundlagen zur Wasserstoffgewinnung und seiner vielseitigen Nutzung, zum Beispiel als Rohstoff, als Energiequelle oder als Langzeitspeicher für erneuerbaren Strom, Stichwort: „Dunkelflaute“,  hat Dr. Nieder uns die Bedeutung des Wasserstoffs als Energieträger der Zukunft dargelegt und gleichzeitig die daraus resultierenden wirtschaftlichen Chancen für das Ruhrgebiet, aber auch für den Kreis Wesel, erläutert.  Dabei ist grüner Wasserstoff die erste Voraussetzung für eine klimaneutrale Produktion in der Chemie-, Stahl- und metallverarbeitenden Industrie, aber auch bei der Herstellung von Glas.

Als Industrieland hat NRW gute Voraussetzungen, in Sachen Wasserstofftechnologie eine Vorreiterrolle zu übernehmen: Unser Bundesland verfügt sowohl über importierten als auch über selbst produzierten Wasserstoff, eine gute infrastrukturelle Anbindung über die Häfen und ein weitläufiges Netz bereits vorhandener oder noch geplanter Pipelines, um den Wasserstoff von und zu unseren Industriestandorten zu transportieren. Die Möglichkeit, grünen Wasserstoff vor Ort sowohl herzustellen als auch weiter zu verwenden bietet beste Voraussetzungen für den erfolgreichen Umbau hin zum klimaneutralen Industrieland NRW.

Grüner Wasserstoff – Chancen für den Kreis Wesel

Aber welche (infra)strukturellen Voraussetzungen müssen hier bei uns geschaffen werden, um auch vom Umbau des Ruhrgebiets zum „Deutschen Hydrogen Valley“ zu profitieren? Und welche Rolle könnte dabei unsere geografische Lage an Rhein, Emscher und Lippe und die bereits vorhandene Infrastruktur spielen?

Im Kreis Wesel gibt es dazu bereits erste Projekte: Den künftigen Wasserstoff-Hub DeltaPort, zum Beispiel, und den daraus entstandenen EcoPort813 Förderverein Wasserstoff & nachhaltige Energie e.V. In ihm haben sich 14 ortsansässigen Unternehmen zusammengeschlossen, um die Wirtschaftsregion Niederrhein durch „gemeinsame Projekte der Mitgliedsunternehmen voranzutreiben und zu unterstützen“.

Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es, derartige Initiativen zu unterstützen, indem vor Ort möglichst schnell die politischen und planerischen Voraussetzungen geschaffen werden, um den grundlegenden Wandel hin zu einer grünen Wasserstoff-Wirtschaft aktiv zu unterstützen.

Gerd Drüten, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Wesel. Bild: SPD-Kreistagsfraktion Wesel

Unser Fraktionsvorsitzender, Gerd Drüten, sieht genau an diesem Punkt jedoch noch „viel Luft nach oben“: „Die Metropole Ruhr hat die besten Voraussetzungen dafür, diesen Paradigmenwechsel schnell und erfolgreich umzusetzen. Hier ist vor allem die Wasserstoff-Koordinierungsstelle des RVR sehr aktiv.“ Dr. Babette Nieder bestätigt seine Einschätzung und ergänzt, dass der RVR in Sachen Wasserstoff eine Koordinierungsfunktion für die Metropole Ruhr übernommen habe und dafür kompetenter Ansprechpartner sei.

„Unser Kreis Wesel ist sowohl Teil der Metropole Ruhr als auch Mitglied im RVR und könnte sehr von dieser Entwicklung profitieren, wenn er seine Potenziale entsprechend einbringt“, so Gerd Drüten weiter. „Ich denke da vor allem an unsere DeltaPort-Häfen als Umschlagplatz und die dort angesiedelten Unternehmen, allen voran das Trimet Aluminiumwerk und der Tiefkühllogistiker Nordfrost, als Abnehmer für grünen Wasserstoff.“ Aber auch die Herstellung grünen Wasserstoffs mittels sogenannten „Elektrolyseuren“ sei an mindestens zwei Standorten im Kreis Wesel möglich und geplant. Einer davon liegt in Gerd Drütens Heimatstadt Voerde. Dort plant der RWE-Konzern auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände der Steag künftig in industriellem Umfang grünen Wasserstoff zu erzeugen. Nach dem jetzigen Planungsstand geht RWE davon aus, dass die Elektrolyse-Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff bereits ab 2027 in Betrieb gehen könnte.

 

„Der Kreis Wesel verpasst Chancen, wenn er mögliche Potentiale und Vernetzungsmöglichkeiten über den RVR links liegen lässt. Diese spielen eine besondere Rolle, wenn es darum geht, Fördermittel in entsprechenden Größenordnungen und Projekten für den Kreis Wesel zu akquirieren“,

 

Dr. Peter Paic, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Wesel. Bild: SPD-Kreistagsfraktion Wesel

kritisiert unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Dr. Peter Paic. So gibt es zum Beispiel auf Einladung des RVR regelmäßig koordinierende Treffen mit Vertretern von Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft, bei denen es die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung gibt.“ Hierzu gab es in der Vergangenheit nur wenige Informationen und Ergebnisse über die Aktivitäten der Verwaltung an die Kreistagsmitglieder. Das selbst gesteckte Ziel des Kreis Wesel, „eine Vorreiterrolle beim Aufbau der zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur einzunehmen“, ist so nur schwer zu erreichen. Dazu gehört in der heutigen Zeit, neben der internen Vernetzung und Erschließung der kreisweiten Potentiale, insbesondere auch die überregionale Ausrichtung und Zusammenarbeit.

Das soll sich jetzt ändern: Wir werden die Verwaltung in einer schriftlichen Anfrage an den nächsten Ausschuss für Wirtschaft, Beteiligungen und Regionalentwicklung um Auskunft über Inhalt und Umfang des bisherigen Austauschs zu bitten.

 

Für mehr Informationen über unsere Fraktionsarbeit, bitte auf unser Logo klicken!